Pfüat di Gott, du alte Zeit |
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts verlor das Volkssängerwesen an Bedeutung. Neue Unterhaltungsformen wie Varieté, Revuetheater, Kabarett und Operette traten als Wettbewerber auf. Eine bedeutende Veränderung im Gesellschaftsleben brachten zahllose Vereine wie Chöre, Liedertafeln, Geselligkeits-, Musik- und Sportvereine, deren Gründung durch die politischen Freiheitsrechte (Vereins- und Versammlungsfreiheit) von 1867 ermöglicht wurde. Der berühmte Volkssänger Edmund Guschelbauer in einem Interview:
Wien hat auch diese Zeit überstanden und erlebte ab 1884 den Aufstieg des Quartetts der Gebrüder Schrammel und ein Zwischenhoch der Wienermusik. Das Illustrierte Wiener Extrablatt meint etwa: |
„Der aufmerksame Beobachter unseres Volkslebens... wird wohl zugeben müssen, dass gerade in der Gegenwart der Kultus altwienerischen Vergnügens wächst – und vielleicht sogar überhand nimmt. Der Grund hierfür liegt vielleicht in dem sich allen aufdrängenden Bewusstsein, dass die Zukunft keinen Raum mehr für diese Spezialitäten haben wird, da das Wien ohne Linienwälle auch den Vororten den Spezialcharakter nehmen wird [...].“
Illustriertes Wiener Extrablatt, 11.1.1883, zit. in: Margarethe Egger: Die Schrammeln in ihrer Zeit, Wien 1989.
Trotz positiver Fakten herrschte also Endzeitstimmung. Die Eingemeindung der Vororte, die 1850 mit den 34 Vorstädten innerhalb des Linienwalles begonnen hatte, war bis Dezember 1890 praktisch abgeschlossen und damit Groß-Wien entstanden.
Die große Metropole der österreichisch-ungarischen Monarchie stand seit dem Ausgleich mit Ungarn 1867 unter starken nationalen Spannungen. Das Wienerlied war eine der trostspendenden Verankerungen des Wienerischen und der deutschen Wiener, die den Zuzug so vieler Menschen aus den Kronländern der Monarchie, vor allem der Tschechen und galizischen Juden mit Sorge betrachteten. Viele Lieder von Wienerliedautoren zeugen von einer Verklärung der Vergangenheit und einer diffusen Angst vor der ungewissen Zukunft, der das goldene Weanaherz, der echte Weana oder das Weanalied entgegengingen: Pfüat di Gott, du alte Zeit (Wie schön war doch Wien in vergangener Zeit...) von Carl Lorens (1889) oder Dem Herrgott sei´ Masterstuck (Auf dieser Welt waß groß und klein...) von Franz Paul Fiebrich (op.68) seien hier stellvertretend genannt.