Die Harfe

Klarinette
Hakenharfe von Christine Spirk, 1987

Harfen gehören zu den ältesten und am weitesten verbreiteten Musikinstrumenten der Menschheit. Trotz vieler Formen und Größen sind allen Harfen drei Bauelemente gemeinsam: Der Schallkasten (Korpus), der Hals und die Saiten.
In vielen Kulturen ist die Harfe, ihrem Wesen nach ein diatonisches Instrument, das Begleitinstrument der Dichter und Sänger. Im Auf und Ab ihrer Entwicklung fand sie ihren Platz in allen Gesellschaftsschichten und bei verschiedensten kulturellen Betätigungen: als Kult- und Volksinstrument, als Tanzinstrument, als Begleitinstrument der Sänger und Spielleute, als Instrument von Wandermusikanten und nicht zuletzt als symbolträchtige Skulptur in aristokratischen Salons des 19. Jahrhunderts.
Die ersten Zeugnisse über die Harfe in Europa stammen aus dem 8. Jahrhundert n. Chr. und kommen aus Irland und Schottland. Später breitete sie sich auf dem Festland aus, wo sie, als Cithara anglica bekannt, die Leier verdrängte. Die ältesten erhaltenen Harfen datieren aus dem 14. Jahrhundert und stammen aus Irland und Frankreich. In der christlichen Ikonographie sind Harfen meistens in Zusammenhang mit dem biblischen König David zu sehen, wo sie als so genannte „Davidsharfen“ bekannt wurden.
Der Harfentyp, aus dem sich alle späteren europäischen Harfen bis zur modernen Doppelpedalharfe entwickelten, war ein neuer: die so genannte Rahmenharfe. Kennzeichen der Rahmenharfe ist eine zusätzliche Vorderstange, die zusammen mit dem Korpus und dem Hals einen mehr oder weniger dreieckigen Rahmen bildet. Die Säule dient der Stütze, um die erhöhte Spannung der Saiten auszuhalten, die zwischen Hals und Resonanzkörper aufgespannt waren. Die früheren, mittelalterlichen Harfen hatten zwischen 7 und 9, spätere zwischen 20 und 25 Saiten aus Darm oder Metall, wobei die Darmsaiten eher mit den Fingerkuppen, die Metallsaiten mit den Fingernägeln gespielt wurden.
Im Verlauf des 17. Jahrhunderts wurde in Tirol von unbekannten Volksmusikern ein wesentlicher Schritt zur Weiterentwicklung der Harfe gesetzt: Die Hakenharfe ermöglichte es mit Hilfe von Haken, die am Hals nahe den Stimmstiften angebracht waren, die Saiten zu verkürzen und so um einen Halbton zu erhöhen. Am Anfang wurden nur an den Saiten mit den häufigsten Halbtönen Haken angebracht, später an jeder Saite.

Um die Jahrhundertwende zum 19. Jahrhundert hatten die Harfenist(inn)en in etwa den Stand eines Bettlers. Auch Sänger(innen), Zither- und Leierspieler galten als „Harfenisten“. Noch unter Kaiserin Maria Theresia (1717-1780) regelte eine Lizenzvergabe, dass nur diejenigen, „die zu einem anderen Erwerbe gar nicht oder im geringeren Grade geeignet sind“ Musik auf der Straße ausüben durften. Musikalische Bildung war keine Voraussetzung dafür. Entsprechend kann man sich die ambulante Volksmusik des ausgehenden 18. Jahrhunderts hinsichtlich ihrer Qualität lebhaft vorstellen und die Berichte genervter Zeitgenossen verstehen, die über „grauenhafte“ Katzenmusik in Hinterhöfen und Beisln berichteten. Der Staat kaufte sich mit der Lizenzvergabe an die ambulanten „Musikanten“ von Veteranenrenten und anderen sozialen Verpflichtungen los. Derartige „Bettel-Musik-Lizenzen“ wurden immer wieder erneuert und reguliert, bis hin zu einem Hofkanzleidekret vom 29. Mai 1821, welches der Tarnung von Bettelei durch Musik ein Ende setzen sollte. Aber wie so oft war auch diese neue Regelung Makulatur, denn  die Erteilung einer Lizenz war immer dem Gutdünken der Behörde überlassen. Dennoch wissen wir aus der Literatur, dass es auch unter diesen ambulanten Musikanten immer wieder solche gab, die wirklich talentiert waren.Während wir bis zum Vormärz (1815/1830) noch von vielen blinden Harfenisten und Harfenistinnen wissen, sind uns nach 1848 etliche Sänger und Sängerinnen bekannt, die kein Gebrechen und einen Beruf erlernt hatten, entweder arbeitslos waren oder aus freien Stücken Musikanten geworden sind.
Unter allen diesen Musikanten hat es eine große Anzahl tatsächlicher Harfenisten gegeben, die sich u.a. sogenannten „Harfenistengesellschaften“ anschlossen. Diese traten in den Vorstadtgasthäusern auf (meist zu zweit oder dritt) und führten neben dem musikalischen Teil auch kleine Szenen auf. Nachfolger der Harfenistenensembles waren die Volkssängergesellschaften (1830-1850), neben deren Entwicklung die Harfenisten allmählich an Bedeutung verloren.
Die letzten drei Wiener Harfenisten starben um 1900: die blinde Harfenistin Magdalena Hegenauer 1889 im Alter von 82 Jahren, der „blinde Paul“, Paul Obrawill (*1817) im Jahre 1900. Dieser hatte seit 1835 bis zu seinem Tode in einem der ältesten (Met-)Keller der Stadt, dem „süßen Löchl“, gesungen und gespielt.
Der wahrscheinlich letzte, diesen Beruf ausübende Harfenist war Josef Baumann (1835-1905). In einem Nachruf des Deutschen Volksblattes vom 24.12.1905 liest man interessante Details zum Lebenslauf des Harfenisten, der am Himmelpfortgrund aufwuchs. Baumans Vater war Tapeziergeselle und soll einigermaßen wohlhabend gewesen sein. Aufgrund eines Unfalls bekam der kleine Josef ein verkrümmtes Rückgrat, das ihn zeit seines Lebens als „Bucklerten“ kennzeichnete. Seine Großmutter ließ ihn daher im „Harfenspiele“ unterrichten, da ein anderer Beruf für ihn nicht in Frage kam. Dank seiner Musikalität bekam Josef einen Freiplatz im Konservatorium. Da wurde er allerdings entlassen, als die Professoren von seinen nächtlichen Ausflügen als Stehgreifsänger und Harfenist in Wirtshäusern erfuhren. Mehr als 50 Jahre zog Josef Baumann mit seiner Harfe umher, er spielte sogar bei den berühmten Brüdern Schrammeln und war allseits beliebt und bekannt. Der Maler Josef Engelhart verewigte ihn 1904 auf einem Ölgemälde mit seiner Tochter (Besitz: Österreichische Nationalbibliothek).


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