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Im mittelalterlichen Strafprozess wurde das Geständnis des Angeklagten zusammen mit dem Urteil gedruckt und am Tag der Hinrichtung von den Urtelweibern verkauft, wobei besonders geschäftstüchtige Drucker diese Exekutionszettel zusätzlich mit den „letzten Worten des Verbrechers auf dem Schaffott“, mit Predigten am Galgen, Leichenreden am Grabe und schließlich auch mit Liedern publikumswirksam ausstatteten.
Eine weitere Verdienstmöglichkeit war der Verkauf geistlicher Liedblätter vor der Kirchentür.
Viel Geld brachte das nicht, und erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts ermöglichten der Aufschwung der Literatur und die relative Zensurfreiheit unter Joseph II. ein Ansteigen ihrer Zahl und ihres Verdienstes. Jetzt traten die Liederweiber auch unternehmerisch auf: Sie zahlten den Dichter, den Drucker und das Material.
1795 wurde der ambulante Ausruf „ein für allemal und ohne Ausnahme, unter Strafe des Zuchthauses“ verboten. Unzensurierte Flugblattdrucke hatten heftige Reaktionen der Behörden ausgelöst. Liederweiber wurden verhaftet, eingesperrt oder ausgewiesen.
Gertraud Schaller-Pressler: Das Lied als Ware. Von Bänkelsängern und Liederweibern [...], in: Wien Musikgeschichte. Volksmusik und Wienerlied, hrsg. von Fritz/Kretschmer, Wien 2006, S. 37. |