Weana Tanz

Wiener Walzer

Militärmusik
puppenwalzer
Der Wiener Walzer ist bis heute die herausragendste und populärste Gattung der Wienermusik. Wahrscheinlich ist keine andere Musikgattung gleichermassen so in der klassischen (ernsten) Musik und der populären Unterhaltungsmusik verankert. Der Wiener macht in seiner Begeisterung für den Walzer kaum einen Unterschied zwischen dem Genuss seiner Darbietung beim Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker, einem Schrammelkonzert oder beim Heurigen.

Im Bereich der Instrumentalmusik hat der Wiener Walzer als Tanzmusik eine Sonderstellung.
Zu seiner Herkunft meinte Johann Schrammel:
„In den [18]20er Jahren waren in Wien kleine Musik-Capellen, meist 2 Personen, Zither und Violine, auch 2 Violinen und Bassgeige, sogenannte Linzergeiger unterwegs. Diese Linzergeiger producirten sich Abends in Wirthshäusern und da fanden sich auch Mädchen ein, welche mit erstaunlicher Virtuosität tanzten. [Michael] Pamer veredelte diese Musik und nannte sie Deutsche. Strauss und Lanner brachten einen anderen Rhythmus, nämlich, dass der Bass das erste Viertel anschlägt, und das zweite und dritte Viertel von der Begleitung besorgt wird“, - statt, wie früher, den Bass alle 3 Viertel schlagen zu lassen.
Johann Schrammel: Alte österreichische Volksmelodien. Aus der Zeit der Jahre 1800-1860, Wien 1888.

Allerdings kann man Schrammels Theorie von der Weiterentwicklung des Ländlers zum Walzer nicht wortwörtlich nehmen. Der Ländler ist prinzipiell ein Figurentanz, den die Volkstanzforschung in die beiden Bereiche des Steyrers und des Landlers unterteilt. Der Steyrer betont die Armfiguren wie die Individualität des Paares, der Landler mehr verschiedene Schrittformen, Stampfer usw. sowie das Kollektiv aller am Tanz beteiligten Paare. Das Walzen ist spätestens seit 1750 aus der Notenliteratur bekannt. Der Deutsche ist als Tanzbezeichnung für Tänze im ungeraden Takt schon früh – auch als Allemande – geläufig. Um 1750 werden die Bezeichnungen Steyrer und Deutscher praktisch synonym verwendet. Später findet man dasselbe Wortgemisch zwischen Deutscher und Walzer. Das etwas träge Landlertempo wurde im Walzer deutlich beschleunigt, was natürlich auch mit den Tanzböden zu tun hat. Auf glattem Parkett tanzt und dreht es sich einfach leichter als auf einem grob gehobelten Bretterboden, wie ihn ländliche Tanzböden bieten.

Ein Zitat des Meistersingers Kunz Has aus dem Jahr 1525 über einen neuen Modetanz: „Jetzt tanzt man den wüsten weller, den spinner, wie sie ´s nennen“ (zit. nach: Steffi-Maria Schlinke: So tanzt man nur in Wien, Wien 1997), spricht aber sehr wahrscheinlich auch schon eine Frühform des Walzers an. Belegt ist die Bezeichnung Walzer ab dem 18. Jahrhundert, vor allem in Dokumenten über seine Verbote: Maria Theresia, Katharina die Große und die Preußen haben bis 1918 den Walzer bei Hofbällen aus sittlichen Gründen untersagt. Johann Sigismund Popowitsch schreibt 1760: „Walzer ist eine Art der Teutschen Tänze, die man insbesondere das Ländlerische Tanzen nennt. Der Tänzer und die Tänzerin hüpfen und drähen sich beständig“. Zit. nach Reingard Witzmann: Der Ländler in Wien, Wien 1976.

„Unter Freunden, bei einem fröhlichen Abendmahl, springt Lanner plötzlich empor und ergreift seine Violine. Die Gesellschaft glaubt, er wolle irgend einen ganz neuen Walzer vortragen. Lanner aber bittet um Stille und sagt: ‚Freunde, es ist mir etwas Eigenes eingefallen. Wie ihr da seid, einen jeden von euch will ich nach seiner Eigentümlichkeit auf meinem Instrument charakterisieren.’ Diese Idee überraschte; man war gespannt. Da fängt Lanner an zu geigen, porträtiert den ersten, den zweiten und so fort, jeden der Reihe nach. Ein jeder versicherte, daß er vollkommen ‚getroffen’ worden sei.“
Franz Gräffer (1785 - 1852): Kleine Wiener Memoiren und Dosenstücke II, München 1922.
lanner Josef Lanner (1801-1843) war mit seinen Walzerkompositionen der eigentliche Schöpfer des Wiener Walzers und leitete ab 1825 erfolgreich sein eigenes Orchester. Johann Strauss Vater (1804-1849) war sein langjähriger Freund, spielte im Lanner-Orchester und konnte 1827 sein erstes eigenes Ensemble gründen. Er erkämpfte sich bald gegen einige Konkurrenz (nicht nur Lanner) den Titel eines Walzerkönigs und wurde 1832 Leiter der Kapelle des 1. Bürgerregiments und 1835 Hofballmusikdirektor. Verschiedene Konzertreisen führten ihn mit seinem inzwischen größeren Orchester nach Deutschland, Paris und London.

Der Wiener Kongress hat dann dem Walzer zu seinem Siegeszug durch ganz Europa verholfen und das bis dahin dominante Menuett in den Tanzsälen überrundet. Die enorme Unterhaltungsgier nach Beendigung der napoleonischen Kriege in Verbindung mit dem Aufstieg des Bürgertums im Zeitalter der Industrialisierung haben zu einer Tanz- und Musizierwut ungeheuren Ausmaßes geführt.
Ein Vergnügungsetablissement im großen Stil war das 1830 eröffnete Tivoli in Meidling. In diesem vornehmen, mondänen Vergnügungslokal, geschaffen von den beiden Berlinern Friedrich Gericke und Ernst Wagner, wurde eifrigst getanzt. Von der Rutschbahn im schön angelegten Garten, der eine Wiener Attraktion war, singt sogar der Harfenist Nachtigall in Ferdinand Raimunds Gefesselter Phantasie. Bis nach 1970 stand dort in der Hohenbergerstraße (12. Bezirk, vor dem Eingang von Schönbrunn, noch ein beliebtes Ausflugslokal an der Stelle des alten Tanzpalastes.
Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Wien 1997, Bd.5.

Johann Strauss Sohn (1825-1899) konnte seinem Vater die Krone des „Walzerkönigs“ entreißen. Nach dem Tod seines Vaters 1849 übernahm er auch dessen Orchester und wurde 1863 zum k.k. Hofball-Musikdirektor ernannt. Die Arbeit teilte er bald gerne mit seinen begabten Brüdern Josef (1827-1870) und Eduard (1835 - 1916), der das Orchester ab 1870 leitete. 1878 wurde dann Carl Michael Ziehrer zum neuen Leiter gewählt.

Johann Strauss Sohn war mit seinen Walzermelodien bekannt geworden, und er begann, von Jacques Offenbach angeregt, mit der Komposition von Operetten, die er selbst als Komische Opern bezeichnete. Die Fledermaus, Eine Nacht in Venedig oder Der Zigeunerbaron (mit Alexander Girardi) begründen die Goldene Ära der Wiener Operette. Sein Walzer An der schönen blauen Donau (bekannter unter dem Titel Donauwalzer) wurde so etwas wie eine inoffizielle Hymne Wiens und Österreichs.

Die Wiener Tanzkapellen, die mit mindestens 15 Mann in den Tanzetablissements aufspielten, musizierten in verschiedensten Besetzungen, bis etwa 1870 meist mit Streichinstrumenten, dazu gesellten sich Trompeten, Klarinetten und Hörner. Bei der Entwicklung der Wiener Instrumentalmusik haben auch Einflüsse zugewanderter Musiker und Musikanten aus Böhmen, Ungarn und anderen Teilen der Monarchie eine wesentliche Rolle gespielt.