Die Geige

Harfe
Geige Carl Zach, 1896

Die Violine ist das kleinste Instrument der Geigenfamilie und spielt in den höchsten Tonlagen. Weitere Vertreter dieser Instrumentenfamilie sind die Viola, das Violoncello und der Kontrabass. Der Bogen, mit dem die Saiten gestrichen und zum Klingen gebracht werden, ist eine dünne, etwa 75 cm lange, konkav gekrümmte Stange aus Pernambukholz, zwischen deren Enden (Frosch und Spitze) Rosshaare gespannt sind. Zur Verstärkung der Reibung sind die Haare mit Kolophonium, einer bestimmten Harzart, bestrichen.
Italien, das vom 30-jährigen Krieg verschont blieb, ist die Wiege des modernen Geigenbaus. Von 1535-1611 lebte in Cremona Andrea Amati. Dieser wurde zum Begründer der berühmtesten Geigenbauschule der Welt. In weiterer Folge verbreitete sich der Geigenbau schnell in ganz Europa. Allein Cremona blieb es vorbehalten, die größten und berühmtesten Meister dieses Gewerbes hervorzubringen. So zum Beispiel: die Familien Amati und Guarneri, Antonio Stradivari, die Familien Ruggeri und Bergonzi. Stradivari- und Guarneri-Geigen sind seit mehr als 150 Jahren die begehrtesten Konzertinstrumente.
Carl Zach (* um 1850, † 1918 in London), ein wichtiger Vertreter der Wiener Zach Schule, baute ausschließlich nach Stradivari mit einer flachen Wölbung, relativ breiter Schnecke, geteiltem oder ganzem Boden. Der Lack ist durchsichtig, seine Farbe schwankt zwischen hellbraun und gelbrot. 1892 betreute er namhafte Solisten wie Hugo Heermann, Jenö Hubay, Josef Joachim, Franz Ondricek, Arnold Rosé, Pablo de Sarasate und August Wilhelmy.
Im gleichen Jahr überreichte er Franz Josef I. anlässlich seines Besuches bei der Internationalen Ausstellung für Musik- und Theaterwesen in Wien seine „Kaisergeige“, bei der statt der Schnecke der Kopf des Kaisers dargestellt ist. Weitere zwei Geigen mit Büsten König Georgs I. von Griechenland und Königin Victorias von England sind bekannt geworden. Besonders interessant erscheinen auch zwei Portraitgeigen, die statt der Schnecken Büsten der Brüder Josef und Johann Schrammel zeigen. Für seine „Schrammel-Geigen“ und „Kaisergeige“ ist Carl Zach weithin bekannt.

Zum sogenannten "Wiener Ton" auf der Geige schreibt Roland J.L. Neuwirth, der sich seit der 1974 erfolgten Gründung seiner Extremschrammeln intensiv mit der wienerischen Volksmusik auseinandersetzt, folgendes:
"Die wienerische Geige...
Kommen wir zum Hauptinstrument. Wien ist die Welthauptstadt der Geigenmusik. Nur wird an den Hochschulen längst kein Wiener Ton mehr unterrichtet. [...]
...in Hinblick auf die Stilistik
Gar nicht zu reden sei von kleinen Ensembles, bei denen diesbezüglich eine weit größere Möglichkeit der Differenzierung besteht. Sie dem Musikstil entsprechend nicht genügend wahrzunehmen, ist vergleichbar etwa mit einem Musiker, der zwar imstande wäre, an vorgeschriebener Stelle Legato zu spielen, es aber nicht tut. Er ruiniert dadurch schlicht und einfach das ganze Stück. So ist man als Streicher paradoxerweise sowohl mit barocken Trillervarianten vertraut, die nicht notiert wurden, da sie damals als stilistisch selbstverständlich vorausgesetzt wurden, als auch mit der vibratolosen Tongebung. Das aber viel näherliegende kurze Wiener Glissando des noch 19. Jahrhunderts zum Beispiel – gemeint sind die angerutschten Zieltöne, bei denen man aber den nächsten Finger aufsetzt – ist absolut unbekannt. Sie ergeben erst den geschmeidigen Effekt, der uns ausmacht. Warum also kann man von Geigern kein weites Vibrato fordern, wenn es die Musikart verlangt? Beharrt man darauf, ist die Antwort, dass es schwer sei, weil ungewohnt. Aber schwer ist alles. Da unsere „Musi“ ihren Höhepunkt in der frühen Romantik fand, wäre es an der Sache vorbei, würde man sie nicht so interpretieren. Das bezieht sich nun einmal auf eine speziell leichte tenuto-Bogenführung und die schon genannten Tendenztöne der linken Hand sowie das ultralangsame Vibrato. Dabei lebt der Ton dadurch, dass er deutlich hörbar leicht hin und her schwankt. Die Intensität darf natürlich nicht die Grenze zur sogenannten Bratlgeige überschreiten. Man sieht also, es ist alles andere als leicht, einen „guten Ton“ zu erzeugen, der das Prädikat wienerisch verdient. Sich dabei allein auf ein wienerisches Notenmaterial zu verlassen, macht das Wienerische noch lange nicht aus.
Das Leisespielen
[...] Was z. B. den Komponisten Franz Paul Fiebrich betrifft: Er hat die schönsten Lieder geschrieben, die aber gerade bei ihm fast hundertprozentig von der Interpretation abhängen. Gerade er wird unerträglich süßlich, wenn die Geigen ein normales Vibrato machen. Ich habe das mit meinen Geigern ausprobiert. Kaum aber spielt man seine Melodien mit langsamem Vibrato, verlieren sie augenblicklich die Tendenz zum Kitsch und werden so, wie sie gedacht sind: wienerisch. Ich empfehle jedem Ensemble, dieses Experiment durchzuführen. Das Ergebnis wird sofort ein Licht aufgehen lassen.
Man sieht also, dass all das nicht von ungefähr kommt, sondern seine Begründung hat. Das richtige Geigenspiel hat ja in erster Linie seinen Sinn in der Ausgewogenheit des Zusammenklanges. Die zu große Lautstärke der Geigen ist es, die den erwünschten homogenen Klang aus dem Gleichgewicht bringt und ihn vulgär, ja in höchstem Maße störend werden lässt. Um leiser wahrgenommen werden zu können, bedarf es des hörbar langsamen Vibratos, das den Ton intensiv, aber eben nicht schneidend werden lässt. Der Spieler muss nur seine Freude an dieser Art Tonbildung entdecken. Die Schwierigkeit, einem Geiger das Leisespielen beizubringen ist die größte.[...]"

Roland J.L. Neuwirth: Der gegenwärtige Stand der Wienermusik, in: Wienerlied und Weana Tanz, hg. von Susanne Schedtler im Auftrag des Wiener Volksliedwerks, Wien 2004, S.105-125.