Der Wiener Charakter

1.
Es war zur Zeit der alten Monarchie,
da sprach Herr Biz im Gasthaus Novotny:
„Hörts wie wir leb'n, dös is’ ja nimmer schön!
I sag halt alleweil, es muass was g’scheh'n!
Man schaufelt ja dem Vaterland das Grab,
Radetzky Vater schau auf uns herab!
'S ist höchste Zeit, die Serben jetzt zu packen,
und Ihnen fest den Hintern auszupracken!
Und wann die Russenlackeln eppa pfauchen,
da wer'n wir absolut kein' Richter brauchen,
wir haben lang genug den Herrn net zagt,
dös sag’ i und dös hab i immer g’sagt! Weil ’s wahr is!“

2.
Es war zur Zeit der Umsturzpoesie,
da sprach Herr Biz im Gasthaus Novotny:
„Jetzt ist 's genug mit dieser Schweinerei,
mir san a Republik und mir san frei!
Die Trotteln hab'n uns in den Krieg gehetzt,
dem armen Volk den Scherben aufgesetzt!
Was brauch' ma denn die Generals, die Schinder,
was zahl' man für ’n Salvator sei' zwölf Kinder,
wir pfeifen auf die Habsburg und die Parma,
nur furt mit Schaden! Euer Gnaden, fahr’n ma!
Die Monarchie, die wird zum Teufel g’jagt,
dös sag’ i und dös hab i immer g’sagt! Weil ’s wahr is!“

3.
Es war zur Zeit der Friedenslethargie,
da sprach Herr Biz im Gasthaus Novotny:
„Das Brot is gelb und die Regierung rot,
wem das gefallen kann, ist ein Idiot!
Wie schön war ’s früher, da war halt alles chick!
Der Kruspelspitz, na und die Burgmusik!
Da waren stad die jüdischen Krakehler,
und feine Leut’ war'n da in die Lokäler,
und so ein Erzherzog mit gold’ne Sterner,
"Tschau, servas!" hat er g’sagt zum Fritzl Werner!
Das brauch' ma wieder weil uns das behagt,
dös sag’ i und dös hab i immer g’sagt! Weil ’s wahr is!“

Der Wiener is bekanntlich konsequent
und an Charakter hat er sapperment! Weil ’s wahr is!

T: Fritz Löhner-Beda, M: Robert Stolz.