Franz Paul Fiebrich

Poldi Debeljak

Franz Paul Fiebrich (*9.5. 1879 in Wien, †25.2. 1935 in Wien)
Mit dem Komponisten und Textdichter Franz Paul Fiebrich findet das Trost spendende und der Wiener Seele schmeichelnde Wiener Lied seinen Meister. Fiebrichs Lieder genießen noch heute eine beachtliche Popularität. Wenn der bekannte Wienerliedsänger Kurt Girk (*1932) gestenreich die Hände zum Himmel streckt und singt "Göttliches, goldenes Weanaherz! Du bist, i nimm’s net z’ruck, dem Herrgott sei’ Masterstück...", dann singt sein Publikum nicht nur die Zeilen mit, sondern ist auch zutiefst von der Botschaft des Liedes überzeugt. Wenn Lieder tatsächlich ein Wir-Gefühl erzeugen können, dann stehen die Lieder Franz Paul Fiebrichs mit Sicherheit an erster Stelle.
Fiebrich studiert an der Musikschule Dr. Kaiser Komposition, Harmonielehre und Gesang und widmet sich zunächst der Kirchenmusik. Er tritt als Kirchensänger und Organist auf und schreibt seine ersten sakralen Werke. 1907 wird sein erstes Wienerlied publik, das gleichzeitig eine Hommage an das Genre ist: Das Weanalied (op.56). Fiebrichs Werke tragen Opuszahlen, ein Zeichen für seine akademische Ausbildung, die aber der Beliebtheit seiner zahlreichen nachfolgenden Wienerlieder keinen Abbruch tun. Fiebrich engagiert sich auch in verschiedenen Männergesangsvereinen, so beim Hernalser Sängerbund. In den Texten des Autors triumphiert der wienerische Charakter, die Einzigartigkeit des Lebens in Wien, die jedoch gestört wird durch die Erkenntnis, dass dieses besungene Glück schon wieder am Vergehen ist:

Göttliches, goldenes Weanaherz!
Du bist, i nimm’s net z’ruck,
dem Herrgott sei’ Masterstück.
Was unser Herrgott macht, is guat, auf Ehr!
Aber a Weanaherz macht er net mehr!
Aber a Weanaherz macht er net mehr!
[Refrain]

Dem Herrgott sei' Masterstück. T & M: Franz Paul Fiebrich.

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Franz Paul Fiebrich beschreibt seine eigene Lebensgeschichte folgendermaßen:

„Ich wurde am 9. Mai 1879 in Wien, V., Hofgasse 3, meinen lieben Eltern Rosa und Franz Fiebrich (Werkmeister) und meiner Großmutter mütterlicherseits, die in obigem Hause eine Greißlerei betrieb, zur größten Freude oder Desperation, ich weiß es nicht genau, von der Mutter Natur geschenkt.
Wir übersiedelten bald auf die Landstraße, wo ich dann im Hause Hauptstraße 95, trotzdem zu Hause Schmalhans Küchenmeister war, mit sechs Jahren den ersten Klavierunterricht empfing, da ich von einer Tante ein Klavier geschenkt erhielt, auf dessen Güte ich mich heute nicht mehr erinnern kann.
Mein Lerneifer ließ aber so viel zu wünschen übrig, dass meine Eltern nach einem halben Jahr das Geld für den Unterricht zu nützlicheren Zwecken verwendeten, als es noch weiter für mich unnütz hinauszuwerfen. Ich spielte nun, was ich wollte und brachte es bald im Spielen von Tänzen und Liedern zu anerkannter Fertigkeit. Mit acht Jahren schrieb ich sogar meinen ersten Walzer, nach meiner Mutter „Rosa-Walzer” genannt. Dieses Werk soll direkt hervorragend gewesen sein. Dieses Kunstwerk ist der Nachwelt nicht erhalten geblieben, denn es ist, Gott sei Dank, verloren gegangen.
Ich absolvierte nun die Volks- und Bürgerschule mit beispiellosem Erfolg – ob im guten oder schlechten Sinn, das verrate ich nicht – und wurde nun Graveur- und Ziseleurlehrling, da ich großes Zeichentalent bekundete. Da erwachte in mir gar mächtig der Sinn für Malerei. Ich kroch in allen Museen, Bibliotheken und Kunstausstellungen herum, hatte die Kunstgeschichte unter meinem Kopfpolster und schuf Gemälde, die heute noch nach 35 Jahren die Vorzimmer meiner Verwandten schmücken. Die arme Frau Musika war vernachlässigt, bis ich in einen Kreis von Freunden kam, die mein Interesse für die klassische Musik in unerhörter Weise erweckten.
Konsequent wie ich immer war, gab es für mich von nun an nur mehr Musik und wieder Musik. Palette und Modellierholz flogen in den Winkel. Ich sagte meinem Gewerbe ade, besuchte vormittags die Handelsschule, um mich dem Beamtenfach widmen zu können, und nachmittags die Musikschule Kaiser in der Schottenfeldgasse, wo ich Gesang, Theorie und Komposition studierte. Abends aber spielte ich bei Volkssängern Klavier, um mir das Geld für mein Studium zu erringen. Mittlerweile waren meine Eltern nach Dornbach (Hernalser Hauptstraße 195, in welchem Hause auch Ludwig Gruber viel verkehrte) übersiedelt, ich hatte schon eine glänzende Beamtenstelle bei einer Versicherungsgesellschaft gefunden, ich glaube, ich erhielt damals monatlich 10 Gulden, war aber nachmittags mein freier Herr und konnte fleißig musizieren und studieren.
Da erging an mich der ehrenvolle „Ruf”, die Kapellmeisterstelle, d. h. KlavierspielersteIle im Dornbacher Sommertheater anzunehmen mit dem unheimlich hohen Honorar von zwei Gulden täglich. Ich war ein gemachter Mann. Dort spielte nun eine Gesellschaft von lauter Sonnenthals, Kainzen, Slezaks und Marischkas, durch zwei Sommer hindurch Dramen, Volksstücke, Opern und Operetten und ich spielte das „Orchester” und leitete die musikalischen Proben mit geradezu fabelhafter Geschicklichkeit. Hans Richter soll ein Waserl gegen mich gewesen sein. Ich war in Dornbach populär.
Ich wurde Mitglied des Dornbach-Neuwaldegger M.-G.-V. und Sänger in der Dornbacher Kirche, wo ich auch zum Teile die Proben leitete und an Sonntagen die Orgel spielte. Da schrieb ich nun Tantum ergo, Graduale, Lieder und meinen ersten – Liebesbrief an ein mudelsauberes Wienerkind, goldblond, zum Fressen, an das ehrenwerte Fräulein Klara Rykl, das mit mir in der Dornbacher Kirche die Ehre Gottes besang. Bald brannten unsere Herzen lichterloh und trotz der fürchterlichen Drohung Ihres Vaters: „daß er ihr das Kreuz abhaut, wenn er sie nochmals mit dem ‚Schwarzen’ sieht”, kam ich am Stephanitag 1900 durch die Schlauheit meiner Liebsten in ihr Elternhaus, um das Klavier zu probieren, das sie als Weihnachtsgeschenk erhalten hatte, da ich laut ihrer Beteuerung über ungeheure Fachkenntnisse im Klavierbau verfüge.
Die „Runden”, die Walzer und Wienerlieder, die ich nun mit meiner ganzen Herzenswärme sang und spielte, hatten mit einem Schlag die herzensguten Wiener, die ich so innig lieben lernte, augenblicklich gefangen und ich war von nun an täglicher Gast.
Zu dieser Zeit war beim „König von Ungarn” in Dornbach eine literarische Ecke, der Männer wie Hawel, Friemberger, Hörmann, von Schullern, von Wurmb usw. angehörten. Dort wurde rezitiert, musiziert und kritisiert ganz ungeniert und ich schrieb Lieder, Chöre für unser Männerquartett „Die stolzen Adler”, Stücke für Klavier und Violine usw., die alle in diesem Zirkel zum erstenmal zur Aufführung kamen. Meine lieben Eltern hatten mich, wie es ja in jeder Familie ist, durch meine Liebelei und die guten Freunde beinahe gänzlich verloren. Sie sahen mich beinahe gar nicht mehr, weil ich die ganze freie Zeit in dem so traulichen Heim meiner Schwiegereltern in spe verbrachte. Die unendliche Freude derselben an dem Wienerliede trieb mich dazu, solche zu schreiben.
Ich führte meine geliebte Klara zum Altar in die Dornbacher Kirche, wo uns die lieben Sangesbrüder und -schwestern zaubervoll in die heilige Ehe hineinsangen, deren erstes Produkt das – „Weanaliad” war. Die Praterspatzen hoben es aus der Taufe und bald sang es ganz Wien, überall und überall erklang es und machte meinen Namen weit über Wien hinaus bekannt. Nun entstanden die Wienerlieder der Reihe nach. Meine Melodien und meine Texte fanden Anklang, Hans Matauschek sang sie mit Herzenswärme wie kein Zweiter und machte viele derselben zum Schlager, wie: „Dem Herrgott sei Masterstuck”, „Weana Bleamerln”, „In der Faßbindergass’n”, „Das Familienglück”, „A süaßer Tram” und viele andere.
Nebstbei betätigte ich mich durch Jahre hindurch als Chormeister des „M.-G.-V. Beethoven”, des Hernalser Sängerbundes und des Josefstädter M.-G.-V. und komponierte fleißig Kirchenmusik. Viele Chöre und Kunstlieder fanden ihre Aufführung. Als Chormeister gab ich eigene Kompositionskonzerte im Konzerthaus, die mir den nötigen Lorbeer für mein Herz und meine Küche lieferten. Viele heitere Quartette entstanden, von welchen „Der erschrockene Bauer”, „Des Jünglings Frage”, „Der Mesnerbua”, „Roman in vier Bänden” Gemeingut unserer prominentesten Quartette sind. Gegen 600 Manuskripte, Walzer, Klavierstücke, Chöre und vornehmlich Lieder schlafen in meinem Bücherkasten ihren Dornröschenschlaf. Besonderes Interesse bringt die Urania meinen Liedern entgegen, indem sie dieselben in ihre Vorträge einstreute u. zw. „G’schichten aus dem Wienerwald”, „Der Prater”, „Die Wiener Frauen”, „Wiener Volksmusik”.
Und so schreibe ich jetzt durch 25 Jahre und es war mir das Glück zu teil, mir die Herzen der echten Wiener zu erobern und liebe treue Freunde zu finden, die mich tatkräftigst unterstützen und fördern.
Als derzeit noch nicht abgebauter Bundeseisenbahner habe ich eine gesicherte Existenz, die mich in die angenehme Lage versetzt, nicht durch die Musik mein Brot verdienen zu müssen. Mein geliebtes Weib ist der Brunnen meines „Familienglückes” und mein Götterjunge Rudi, der gegenwärtig die zweite Realschulklasse ziert und mit großem Talent vornehmlich Czerny, Clementi und Diabelli meistert, wird hoffentlich dem Namen Fiebrich einen besseren musikalischen Klang verleihen, als es mir vergönnt war.”

Franz Paul Fiebrich, April 1928, Archiv wvlw.



Populäre Lieder von Franz Paul Fiebrich, geschrieben zwischen 1907-1934:

Das Weanalied
Draußen, weit in einer Vorstadt ...
T & M: Franz Paul Fiebrich, op.56, 1907.

Dem Herrgott sei’ Masterstuck
Auf dieser Welt waß groß und klein...
T & M: Franz Paul Fiebrich, op.68.

Wo i bin gebor’n word’n
Scheint die Sunn’ recht hell und fein...
T & M: Franz Paul Fiebrich, op.362.

Das Silberne Kanderl
In an ganz an klan Glaserl...
T & M: Franz Paul Fiebrich.

Jetzt fangt die Gaude an
Der Weana is auf dera Welt...
T & M: Franz Paul Fiebrich.