Herbert Zottis Raunzerzone

in: bockkeller, 29. Jg., Nr. 1 / Jänner - März 2023

Warum geht mir die Welt ziemlich auf die Nerven? Die Antwort ist vielfältig. Da ist einmal der Umstand, dass der rößere Teil der bewohnten Erde von gemeingefährlichen gomanen regiert bzw. diktiert wird, denen Volk (auch das eigene) und Wirtschaft dieses krisengebeutelten Planeten weitgehend egal ist. Das Ohnmachtsgefühl gegen „die da oben“ ist ein Teil der negativen Grundstimmung. Dann hätt‘ ma da noch das Klima samt seinem Wechsel und so. Und die globale Erkältung aufgrund teurer oder nicht vorhandener Energieträger. Dabei geht‘s uns eh (noch?) gut. Wir verwöhnten Mitteleuropäer empfinden zwar die verordneten 19°C auch schon als Zumutung, das richtige Zähneklappern beginnt aber etliche Grade darunter.
Ja und dann kommt noch der sogenannte Alltag. Und mit ihm die zahllosen Verhaltensregeln, etwa jene, die uns mit einer gewissen Unduldsamkeit vorgeben, wie sich der heutige Mann aufzuführen hat, um nicht im Bannstrahl der Feministinnen 3.0 zu verenden. Natürlich haben wir uns hier angepasst, erzählen keine Blondinenwitze mehr (außer „unter uns“), kochen zum Muttertag das Frühstück und haben gelernt zuzuhören – oder wenigstens durch konzentrierte Gesichtsmimik den entsprechenden Eindruck zu erwecken. Soweit so anstrengend. Das Ungemach kommt ja nicht im Entweder-oder, sondern additiv daher. Zum Beweis, dass nicht nur die bloße Existenzangst grauslich ist, hat sich die letzten Jahre noch ein Sprachcodex etabliert, der gut gemeint und von noch besseren Menschen erfunden worden sein dürfte. Aber: Was hier alles mitbedacht werden sollte und müsste, bevor man auch nur einen Laut von sich geben darf, ist mittlerweile abenteuerlich. Und auch ein wenig kommunikationsbehindernd. Fragen wie: Bin auch ich ein „alter, weißer Mann“, der viele Frauen schon durch sein bloßes Vorhandensein provoziert? Oder habe ich meine kolonialistische Vergangenheit hinreichend aufgearbeitet? Benenne ich alle Angehörigen nichtösterreichischer Zunge mit ihren korrekten Bezeichnungen? Was habe ich mir letzte Woche schon wieder kulturell angeeignet? Die Gefahr, allein durch die Fragestellung dem rechten Lager zugeordnet zu werden ist groß. Weil – anständige Menschen fragen sowas nicht. Sie spüren’s einfach, wenn sie sich noch „selber spüren“. Und „Reschpekt“ haben.
Unser Titelbild zeigt übrigens den genialen Geiger Hermann Haertel (jun.), der seit vielen Jahren Dreadlocks trägt, lange vor der Skandalisierung dieser kulturellen Aneignung. Typischerweise isst er auch noch Käsekrainer und so Zeugs, dieser kulturelle Dino. Vielleicht wird die Vorweihnacht, diese Empathie-beflügelnde, glückselige Zeit einen besseren Menschen aus ihm machen. Wir dürfen hoffen. Dass aber der alkoholische Sondermüll, namens „Punsch“ auch schon € 7,- kostet ist ärgerlich. Trotzdem – gesegnete Weihnachten.

Herbert Zotti