Natursänger, Fiaker & Wäschermädel

Gesangsvereine
Die bedeutende Anzahl von Wienerliedern, die den Fiakern und Wäschermädeln gewidmet ist, lässt auf deren Verankerung und Bedeutung in der Unterhaltungsszene schließen. Die Bälle der Fiaker und Wäschermädel waren bekannte Einrichtungen, und einige Fiaker sind auch als Natursänger berühmt geworden.

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Die Fiakersänger Schuster Franz (Franz Reil) und Hungerl (Karl Mayerhofer)


Natursänger gab es zu jeder Zeit“, schrieb Carl Lorens. „Man ging zum Heurigen und wenn der genossene Wein seine Wirkung zeigte und die Stimmung gestiegen war, dann stand der eine oder andere auf und sang ein Lied oder ließ einen kräftigen Jodler los.“
Carl Lorens: Der Natursänger!, in: Extrablatt, 7.7.1895.

Oft wurde etwa das beliebte Erzherzog-Johann-Lied gesungen. Dem Wiener reichten die Schrammeln alleine nicht aus: es musste gesungen, gepascht, gedudelt und gepfiffen werden!

So entwickelte sich ein singendes Gefolge der Schrammeln. Mit diesen Sängern schloss Johann Schrammel bald Exklusivverträge ab. Sie wurden unglaublich populär, wie etwa der Fiaker „Hungerl“, zu dessen Beisetzung 20.000 Trauergäste aus dem In- und Ausland kamen! Hungerl, der mit richtigem Namen Karl Mayerhofer hieß, wurde 1905 Opfer eines Verkehrsunfalls - ein Motorwagen rammte beim Schottentor seinen Fiaker.

Einst zählten die Natursänger zu den Beneidenswerten, da sie im Gegensatz zu den professionellen Volkssängern keine Lizenz besitzen mussten und auch andere Vorschriften für sie als bloße „Nebenberufsmusiker“ nicht zwingend waren. Die dadurch benachteiligten Volkssänger inszenierten daher den sogenannten „Natursängerkrieg“, der erst 1890 endete, als Johann Schrammel eine Singspielhallen-Konzession erhielt und es nun auch mit den Natursängern endlich seine behördliche Richtigkeit hatte.
Neben einer Reihe geläufiger Fuhrmannslieder eher ländlichen Charakters, wie "I hab’ a Paar kohlschwarze Rappen", die in vielen Teilen Österreichs heimisch sind, erscheint im Gefolge von Gustav Picks Wiener Fiakerlied eine Reihe weiterer Produktionen, die diesen Stand verherrlichen. Carl Lorens parodiert Picks Lied einige Male, zuerst als Neuestes Fiakerlied, dann folgt noch ein "Böhmisches Fiakerlied - zu singen auf die Melodie des neuen Wiener-Fiaker-Liedes von Girardi. Verfasst und gesungen vom Gesangskomiker Carl Lorens“:

Ich hab’ zwa schwarze Schimmeln,
Sein eing’spannt in mein Wag’n,
Ich bin ich kan Fiaker
Und steh’ auch nicht am Grab’n.
Bin Kutscher, fahr’ bei Janschki,
Führ zwar kan Cavalier,
Doch ruft mich Pompfuneber,
A potom, bin ich hier.
fiaker
tramway 2
Der Fiakersänger Bratfisch
Bei Leichen thuns mich finden,
Ich fahr’ wann ’s sein muß, a
Su schnell, daß kommt mir kaner nach,
Ich brauch’ gleich an ganze Tag
Bis h’nunter am Central-Friedhof;
Die armen Passagier
Die kommens g’sunde nimme z’ Haus,
Die Seel’ beutel ich ihne aus,
Vichrakre sein, das ist kan Kunst,
Die hab’n ’s es ja vom Fahr’n kann Dunst.
Ich bin Jantschki-Kutscher, in Podiebrad z’ Haus,
Ich fahr’ ich, wann ’s sein muß, mit Sandtruchel aus.
Mich kenn’ me kann Stulz, weil uns gar nix scheniert,
Mi sein me auf Alles dressiert.


Das bekannteste der neueren Fiakerlieder ist das 1963 erschienene Stellt’s meine Roß’ in Stall. Der Schauspieler Paul Hörbiger und der Schauspieler und Conférencier Heinz Conrads haben dem Lied zu besonderer Aufmerksamkeit verholfen.

Wer es sich in Wien und Umgebung leisten konnte, ließ seine Wäsche von einem Wäschermädel besorgen. Diese Wäschermädel standen in dem Ruf, gute Unterhalterinnen jeglicher Art zu sein. Dieses Klischee der feschen, kräftigen, stämmigen, kerng’sunden Madeln wurde liebevoll gepflegt und vielfach musikalisch thematisiert. Dazu trugen auch die berühmten Wäschermädelbälle bei, die schon 1830 von Fürst Liechtenstein (bis 1848 Grundherr des angrenzenden Lichtentals) als „echt“ legitimiert wurden, um sie vor Nachahmung zu schützen. Bis 1880 entwickelten sie sich zu einem Liebkind der Wiener – die Wäschermädel hatten dabei wenigstens oft kleine Einnahmen aus dem Losverkauf für den Jux-Basar.

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Wilhelm Gause: Wiener Werkelmann im Hofe einer Wäscherei [Bildarchiv: ÖNB]
Die Wäscherleute arbeiteten in organisierten Gruppen zusammen und waren untereinander gut bekannt, oft verwandt oder verschwägert. Dabei waren sie selbstständige kleine Gewerbetreibende, standen meist am Waschtrog der eigenen Küche und benutzten gemeinsam eine Hängestatt wie die Wäscherburg des Sechsschimmelbergs am Himmelpfortgrund (Sobieskigasse 1, 9. Bezirk), wo Wäscheleinen in mehreren Etagen zwischen hohe Stangen gespannt wurden. Um 4 Uhr früh begann ihr Arbeitstag in den dämmerigen Waschküchen. Die folgenden 12 bis 16 Stunden lang sortierten sie die Wäsche, weichten und rieben sie ein, behandelten sie durch Klopfen und Winden, um sie zuletzt aufzuhängen. Die schwere Arbeit trug zwar nicht viel ein, doch das Selbstbewusstsein war groß.
Ab 1887 wurde die Waschmaschine immer verbreiteter und 1891 die Wäscherburg abgerissen. Die Wäschermädel verloren ihre Arbeit, was viele vor existenzielle Probleme stellte, da sie keine hohen Mieten zahlen konnten. Am Sobieskiplatz steht seit 1985 ein neuer Brunnen als Erinnerung „an den Auslaufbrunnen der ehemaligen Kaiser-Ferdinands-Wasserleitung. Die Wäscherinnen des Himmelpfortgrundes holten von ihm in großen Butten ihr Wasser. Der Volksmund nannte das Bassin dieses Brunnens 'Bassena'.“ (Brunneninschrift). Fritz Wolferl hat ihnen mit seinem Lied I häng an meiner Weanastadt, welches mit der Textzeile „Im Liechtental die Wäschersleut“ beginnt, ein Denkmal gesetzt.