Volkstanz

Brigittakirtag

Weana Tanz
brigittakirtag

Schon bald nach der Erbauung der Brigittakapelle (1645-1651 von Filiberto Lucchesi) im Jagdrevier Kaiser Ferdinand III., an der Handelsstraße von Wien nach Prag gelegen (heute 20. Bezirk, Forsthausplatz, unweit der Floridsdorfer Brücke unmittelbar neben der Pfarrkirche), hielt man zu Ehren der Hl. Brigitta ein Kirchweihfest ab, das nach 1775 zu einem der größten Volksfeste Wiens wurde. Literatur, Theater und Malerei nahmen sich des beliebten Sujets oft an, und auch Reisende waren fasziniert vom bunten Treiben, das alljährlich am Sonntag nach Vollmond im Juli zigtausende Besucher anlockte und zwischen 1830 und 1840 seinen Höhepunkt erreichte.

In den Auen wurden Schenken errichtet und Zelte aufgestellt, Seiltänzer und Gaukler, Feuerwerke, Vogelschießen und Ringelspiele sorgten für Unterhaltung. Auf den Wiesen tanzte man – wie aus der komischen Oper „Der Brigitta-Kirchtag“ von Joseph Richter (1749-1813) hervorgeht – auch auf gezimmerten Tanzböden, in Tanzlauben und Tanzhütten. Während in den eleganten Tanzzelten bei teurem Essen ziemlich gute Orchester spielten, genügte sonst meist eine Drehorgel, ein Dudelsack, ein Klarinettist und ein Trompeter oder ein Harfenist mit einem Violinspieler.

Der oberösterreichische Wunderarzt Carl Rabl (1787-1850) berichtete 1807, dass „bei Pfeifen, Geigen, Leyer, Schallmeyen und Dudelsack landlerisch, deutsch, hungarisch und böhmisch getanzt“ wurde. (Vom Baderlehrling zum Wunderarzt, Carl Rabl, ein Mediziner im Biedermeier, Ausgewählt und erläutert von Dr.med. Gottfried Roth, Linz 1971.) Es wurden nicht nur Bettelmusikanten gesichtet (siehe Franz Grillparzers Novelle Der arme Spielmann, die das bunte Treiben lebendig schildert), sondern auch Zitherspieler und – wie aus Adolf Bäuerle´s Memoiren hervorgeht – einige Dutzend [!] Gruppen Steirischer und Tiroler Alpensänger. (Adolf Bäuerle: Alt-Wiener Kulturbilder. Aus Adolf Bäuerle's Memoiren, Wien 1926.) Der sogenannte Nach-Kirtag, am folgenden Montag abgehalten, zog oft noch mehr Menschen an. Joseph Richter schreibt 1807: „...wem der Sunntag noch ein Paar Groschen übrig glassen hat, der hat gschaut, daß er s´ an Mondtag los worden ist.“ Joseph Richter: Die Eipeldauer Briefe. Eine Auswahl, München 1917-1918.

Wichtig war den Wienern auch das Essen und Trinken. Wieder Joseph Richter: „Fast alle Weibsbilder habn sich ´s Futter in Tüchln mittragn, beyn Männern habn d´ Bierblützer zum Rocksack außer guckt. Da is dann d´ Fresserey angangen. Da sind s´ im Gras herum, gsessn, und da habn mehrere ganze Körb mit Schunken, und Kalbsschlegeln, und Ganseln, und Weinflaschen vor sich stehen ghabt; [...] Unsre so genannte elegante Welt hat sich auch haufenweise dort eingfunden.“

Im Zuge der Oktoberrevolution 1848 in Wien wurde der Sprecher der republikanischen Linken aus Deutschland, Robert Blum, mit einer Sympathieadresse der Liberalen ins revolutionäre Wien gesandt, wo er sich aktiv am Kampf gegen die kaiserlichen Truppen beteiligte. Nach der Einnahme Wiens durch Feldmarschall Windischgrätz wurde Blum, obwohl unter Immunität stehend, auf Anweisung Fürst Schwarzenbergs am 9.11.1848 im Brigittawaldl standrechtlich erschossen. Wahrscheinlich auch um ein Gedenken an diese Tat nicht aufkommen zu lassen, verbot die Regierung ab 1848 das einst ausgelassene Treiben.