Wiener Volksliedwerk
Der Staat ist in Gefahr!

Lieder zur Wiener Revolution 1848

1848 erheben sich in vielen Teilen Europas Menschen, um für politische Freiheit und nationale Selbstbestimmung zu kämpfen und eine Verbesserung ihrer sozialen Lage zu erreichen. Auch Wien wird vom revolutionären Feuer ergriffen. Die Märzkämpfe verlaufen blutig und fordern Menschenleben, sie bringen aber neue Errungenschaften wie die Aufhebung der Zensur mit sich. Die relativ kurze Phase der gewaltsam erkämpften Preßfreiheit löste eine Flut von Druckschriften aus und ließ auch eine Reihe von Liedern entstehen, die – wie viele der in diesem Jahre aus dem Boden gestampften, kurzlebigen Zeitungen – rasch wieder in Vergessenheit gerieten.

Als Quellen der (Musik-)Geschichtsforschung geben sie aber einen unmittelbaren Einblick in diese hochbewegte Zeit, in der neben den heute noch weithin bekannten Wiener Komponisten und Textdichtern plötzlich auch einfache Arbeiter und Handwerker zur Feder griffen und ihrem Ärger bzw. ihrer Freude Luft machten. Diese mitunter vor Rechtschreibfehlern strotzenden Hervorbringungen erschienen auf meist kleinformatigen Flugblattdrucken und konnten nicht mit den kunstvoll gestalteten Notenausgaben renommierter Künstler (Strauß Vater und Sohn, Suppè, Fahrbachs en.) mithalten; die Flugblätter verließen jedoch zu tausenden die Druckereien und waren somit überaus billig und für die breite Masse erschwinglich.

Bedeutende Gedichte wie "Die Universität" wurden von zahlreichen Komponisten vertont; in vielen Fällen fand aber auch das gängige Singrepertoire Verwendung, das sich aus Studentenliedern, Theaterliedern, Volkssängerliedern, alten deutschen Singweisen und Kirchenliedern zusammensetzte. Da der Notendruck vor 1860 auf Wiener Flugblättern nicht üblich war, behalf man sich in gewohnter Weise mit der Kontrafaktur, d.h. mit der Neutextierung bereits bekannter Liedweisen. Zu den beliebtesten Melodien des 48er Jahres zählten die Haydnsche Kaiserhymne "Gott erhalte" und das sog. "Fuchslied": Seit dem 17. Jahrhundert wird der Student im ersten Semester als "Fuchs" bezeichnet. Die früheste bekannte Aufzeichnung des "Fuchsliedes" findet sich 1808 in einer Sammlung von Studentenliedern aus Wittenberg. Als 1848 Roderich Benedix diese Melodie in seinem Bühnenstück "Das bemooste Haupt oder der lange Israel" vorstellt, erliegt auch Wien dem Bann dieses einfachen, wenige Textzeilen wiederholenden Gassenhauers. Fortan dient er als Grundlage für verschiedenste aufrührerische Texte und wird fast bis zum Überdruss gesungen und gespielt.

Die "Schwarz-roth-goldenen" setzten dieses Lied gerne als Provokation ein: Das "Fuchslied" stand für Fortschritt und Freiheit, die Kaiserhymne für schwarz-gelbe Verzopftheit, Rückschritt und Beschränktheit. Wer den neuen Idealen nicht entsprach, musste mit einer sog. Katzenmusik rechnen: Das heißt, dass sich mitunter bis zu zwanzigtausend Menschen vor einem Haus einfanden und voll Unmut mit Trommeln, Geigen, Klarinetten, Oboen, Fagotten, Dreh-orgeln, Flöten, Tschinellen, aber auch mit Ratschen und anderen Geräuscherzeugern einen ohrenbetäubenden, aggressiven und bedrohlichen Lärm verursachten. Mit hasserfülltem Spott bedachte man natürlich auch den Feind Nummer ein, des geflohenen Staatskanzler Metternich, den Präsidenten der obersten Polizei- und Censur-Hofstelle Josef Graf Sedlnitzky und den ebenso geflohenen Weiner Bürgermeister Ignaz Czapka.

Die thematisch nahezu unerschöpflichen Lieder zu den Ereignissen der Wiener Revolution wurden zum Harfengeklimper auf den Straßen, zu den humpelnden Tönen der Drehorgelnd und bei sog. "Verbrüderungsfesten" zum Klang der Straußschen Kapelle in den großen Vergnügungsetablisse-ments gesungen; man vernahm in diesem Jahr begeisterte Studentengesänge in der Aula der Universität und wurde zu Konzertaufführungen in den Musikvereinssaal geladen; das Gegröle der Nati-onalgarden drang aus der Wachstube und aus dem Wirtshaus, und beliebte Schauspieler lockten mit politisch aktualisierten Arien in die Theater Wiens. D.h. sämtliche Bereiche der Musikausübung, von der musikalischen Alltagskultur bis hinein in die professionelle Musikwelt, konnten (und wollten) sich den starken Eindrücken dieser aufregenden Zeit nicht entziehen. Mit der Niederschlagung der Revolution im Oktober ging allerdings ein rascher Gesinnungswandel einher: Der aufhetzende, freche Ton in den Liedern wich der Beschwichtigung, die heiß erkämpften Ziele und Ideale wurden – um den neuen, alten Machthabern zu gefallen – ebenso wehmütig wie demonstrativ aufgegeben. Das Leben in Wien beruhigte sich. Unter dem noch lange beschworenen Deckmantel der "Gemütlichkeit" gärte aber die Unzufriedenheit weiter …

Dr. Gertraud Pressler
Wiener Volksliedwerk, 1998

Einen ausführlichen Artikel von Gertraud Pressler über die Lieder zur Wiener Revolution sowie viele weitere Autorenbeiträge zum 1848er Jahr finden Sie im Ausstellungskatalog: 1848 "das tolle Jahr" – Chronologie einer Revolution Ausstellung im Historischen Museum der Stadt Wien 24. September 1998 bis 29. November 1998

1. Trommelwirbel
2. Der Staat ist in Gefahr!
3. Lied für die Nationalgarde
4. Das Zensorlied
5. Die Universität
6. Trauergesang am Grabe meines geliebten Kollegen Karl Konitschek
7. Neues Volkslied
8. Fürst Metternich
9. Neues Osterlied
10. Revolutions-Marsch
11. Ein Jux=Gedicht für die dritte Compagnie Nr. XI
12. Österreichisches Soldatenlied aus dem Jahr 1848/49
13. Neues Lied vom allverehrten Kaiser Ferdinand
14. Radetzky-Marsch op. 228
15. Politische Volks=Lieder
16. Der Proletarier
17. Das Lied von Robert Blum
18. s´Marziveigerl
19. Der Wiener Aschenmann erster Theul und Das Wiener Aschenweib als Seitenstück zum Aschenmann
20. Jetzt sagt´s ma, warum ma kan Weaner mehr traut
21. Wo is di alte G´mütlichkeit

14.50 €




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